Alltagsethik

Prinzipientreue

Jeder kennt das: sobald man etwas in seinem Verhalten ändern möchte, stößt man auf innere und äußere Widerstände.

Ein Beispiel: Sobald ich mir vornehme, nicht schlecht über andere sprechen zu wollen (weil es meiner inneren Überzeugung entspricht, dass das tugendhaft und positiv ist), bin ich zunächst voller Elan und mit Hingabe dabei. Vielleicht lese ich mich sogar noch tiefer in das Thema ein und spreche zunächst auch erfolgreich weniger oder sogar gar nicht schlecht über andere. Aber es dauert in der Regel nicht lange bis meine Aufmerksamkeit und Motivation nachlassen und bald habe ich das Ziel mein Verhalten ändern zu wollen wieder aus den Augen verloren.

Warum ist das so?

Natürlich liegt es einerseits an mir selbst, also an meinem Ego und meiner Nachlässigkeit – daran gibt es nichts zu rütteln. Niemand zwingt mich dazu meine Bemühungen ethischer zu Handeln wieder aufzugeben. Selbst wenn ich mir, wie in unserem Beispiel absolut bewusst bin, wie ethisch wichtig es ist, andere zu respektieren und sie nicht zu verletzen, kann ich der Versuchung oft nicht widerstehen und falle oftmals schnell wieder in alte Verhaltensmuster zurück.

Das Ganze wird dadurch erschwert, dass es so scheint, als wären wir die Einzigen in unserem Umfeld, die versuchen ein ethisches Prinzip zu praktizieren. Es kommt einem so vor, als ob es in der aktuellen Gesellschaft verbreiteter scheint schlecht, als gut über andere zu sprechen.

Offensichtlich reicht es nicht aus sich nur vorzunehmen ethische Prinzipien praktizieren zu wollen, denn man wird in der Umsetzung früher oder später unweigerlich mit Widerständen, wie u.a. dem Einfluss seines Umfelds konfrontiert werden. Aber sich dieser Hindernisse bewusst zu werden, kann der erste Schritt sein, sie zu überwinden und seinen für „richtig“ empfundenen Prinzipien treu bleiben zu können.

Jeder muss dabei für sich selbst beurteilen und entscheiden, inwieweit er sich von der Gesellschaft beeinflussen lässt. Man kann sich folgende Frage stellen: Bleibe ich mir und meinen Prinzipien auch dann noch treu, wenn viele um mich herum anders handeln?

Oft ist es sehr schwer, sich dem Einfluss unseres Umfelds zu entziehen: Wenn wir in der Gesellschaft aktiv sind, lässt der Druck nie nach, und es ist unvermeidlich, dass uns die Werte, Wünsche und Erwartungen unseres Umfelds beeinflussen. Wenn zum Beispiel alle meine Freunde einen gewissen sozialen und materiellen Status in ihrem Leben erreicht haben, dann wünsche ich mir das vielleicht auch für mein Leben. Das kann ein durchaus positiver Einfluss sein, weil es uns motivieren kann uns zu engagieren und uns in gewissen Bereichen des Lebens Mühe zu geben, damit auch wir ähnlich erfolgreich sind. Der Einfluss des Umfelds kann aber dann negativ werden, wenn wir uns von uns eigentlich als falsch und unethisch empfundene Denk- und Verhaltensweisen der anderen „abschauen“ und nachahmen.

Vermutlich werden wir von unserem Umfeld beeinflusst, weil wir für diesen Einfluss empfänglich sind. Ein Teil von uns findet offensichtlich Gefallen daran. Um uns nun aber zu einem prinzipientreuen Menschen zu entwickeln, werden wir genau diesen Teil in uns korrigieren müssen.

Ich kann natürlich versuchen pauschal die Schuld für mein eigenes unethisches Verhalten bei den anderen zu suchen, aber das wäre zu simpel. Ja, wir werden beeinflusst, aber wir haben ja immer noch einen eigenen Willen und ein eigenes Gewissen. Meistens weiß ich ganz genau, wenn ich mich nicht wirklich gut verhalte. Auch sich aus der Gesellschaft zurückzuziehen, ist keine wirkliche Lösung. Anzunehmen, dass wir einen starken Einfluss auf andere haben können, diese oder gar die gesamte Gesellschaft zu ändern ist ebenfalls nicht sinnvoll. Eine solche Annahme wäre einerseits schon ziemlich anmaßend anderen gegenüber und andererseits auch naiv sich selbst gegenüber, da ich es selbst ja noch nicht einmal schaffe meinen eigenen Prinzipien mehr als ein paar Tage treu zu bleiben.

Welche Gedanken können dabei helfen prinzipientreu zu handeln? Einige Denkanstöße …

Ich kann mich bewusst für oder gegen mein Gewissen entscheiden, in unserem Beispiel: Ich kann mich hinreißen lassen schlecht über einen anderen Menschen zu sprechen oder dies eben nicht tun. Es hängt also von meinem Willen ab, wie ich mit äußeren Einflüssen umgehe. Ergebe ich mich und mache ich mit oder folge ich meiner inneren Stimme und meinen Prinzipien?

Ich sollte mich kennen, denn wenn ich prinzipientreu sein will, muss ich wissen, wie ich so „ticke“ und was ich von mir erwarten kann. Wir wissen ja was wir mögen, was nicht, welche Stärken wir haben und welche Schwächen. Wenn ich mein Leben zurückblickend betrachte, kann ich beobachten, dass sich meine Denk- und Verhaltensweisen über die Zeit entwickelt haben. Ich weiß also, dass ich das Potential habe mich weiterzuentwickeln. Warum dann nicht hin in Richtung eines Menschen, der zu seinen Werten steht?

Menschen, die ihren Prinzipien treu bleiben, strahlen eine gewisse Würde und Ehrenhaftigkeit aus. Vielleicht möchte ich mich selbst auch zu einem würdevolleren Menschen entwickeln, der kein „Fähnchen im Wind“ ist und der es schafft trotz innerer und äußerer Widerstände seinen Überzeugungen zu folgen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass wir es selbst in der Hand haben, unseren Grundsätzen nach und nach „treuer“ zu bleiben und mehr Durchhaltevermögen zu entwickeln. Es lässt sich durchaus eine Parallele zu dem Wunsch körperlich fitter zu werden ziehen. Fitter wird man nicht, wenn man nur einmal im Quartal ins Fitnessstudio geht. Aber genauso wie es Freude machen kann, die positiven Veränderungen „am eigenen Leib“ nach regelmäßigem Sport zu sehen, ist auch die regelmäßige Umsetzung von ethischen Prinzipien von motivierenden Erfolgserlebnissen geprägt.

Autoren: Das Ethica Rationalis Redaktionsteam