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‚Verantwortung lernen, Verantwortung lehren – wie setze ich das in die Praxis um?‘ vom 1. April 2011

Bereits im Herbst letzten Jahres hat Ethica Rationalis das Thema „Verantwortung in der Hochschulbildung“ aufgegriffen und in einer Expertenrunde diskutiert.

Um den Faden wieder aufzunehmen, luden wir Dozenten, Mitarbeiter und Studierende aus den drei Münchner Hochschulen sowie Praktiker und Alumni ein, um diese Fragen zu vertiefen und zu konkretisieren. In einem Workshop ging es nun darum, zu fragen, wie man Verantwortung und Verantwortlichkeit lehren und erlernen könnte. Ziel war es, ein Lehr-Lernmodul zu entwickeln, das von Dozenten in Vorlesungen, Seminaren und Workshops eingesetzt werden kann. Frau Dr. Birgitta Kopp, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Empirische Pädagogik und Pädagogische Psychologie an der LMU München und eine erfahrene Expertin im Bereich interaktiven und projektbasierten Lernens, übernahm die Moderation. Sie ging zunächst auf das problem- oder handlungsorientierte Lernen ein und erläuterte anschließend die verschiedenen Facetten von ‚Kompetenz’, unter anderem Selbst-, Fach-, Sozial- und Methodenkompetenz.

Was bedeutet Verantwortung? Mitdenken – Nachdenken – Handeln

Aufbauend auf diesen theoretischen Grundlagen sollten die Teilnehmer in Gruppen an die Fragestellung herangehen, wie man Verantwortung, Verantwortungsfähigkeit und Verantwortlichkeit in einem Unterrichtsmodul vermitteln könnte. Dazu konnten sich die Teilnehmer auf einen weiteren wichtigen Baustein beziehen: Zu Beginn erging die Aufforderung, Assoziationen zum Begriff Verantwortung zu sammeln. Es fanden sich Antworten wie:

  • Mitdenken – Nachdenken – Handeln
  • Verantwortung setzt eine innere ethische Einstellung voraus
  • Verantwortung lernen durch Erziehung und Erfahrung
  • Bereitschaft, Konsequenzen zu tragen und Rechenschaft abzulegen
  • Verantwortung heißt Respekt vor den Interessen anderer

Die Teilnehmer bildeten drei Gruppen, die auf der Basis eines vorgegebenen Leitfadens versuchten, dem Ziel einer konkreten Umsetzung näherzukommen. Anschließend präsentierte jede Gruppe ihre Ergebnisse, die dann im Plenum gemeinsam diskutiert wurden.

Was brauche ich? Eckpunkte eines Lehr-Lernmoduls zur Verantwortung

Eine Gruppe konzipierte vor dem Hintergrund eigener beruflicher Erfahrungen ein ‚ethisches Dilemma’: eine Beratungssituation, in der die beratende Person in einem Wertkonflikt steht, da sie sowohl ihren eigenen Interessen, denen des Arbeitsgebers als auch denen des Kunden gerecht werden muss – und diese Interessen sind naturgemäß widersprüchlich. Eine Situation, die nicht wirklich gelöst, sondern die im Unterricht lediglich reflektiert werden kann: in Hinblick auf die vorliegenden Konflikte, die verschiedenen Perspektiven und Interessen der Beteiligten, die Handlungswege und die dazugehörenden Konsequenzen. Es herrschte allgemeiner Konsens darüber, dass ein solches ethisches Dilemma sich hervorragend als Grundlage für ein Unterrichtsmodul ‚Verantwortung’ eignen würde, wenngleich es erforderlich wäre, den Kontext der jeweiligen Fachdisziplin anzupassen.

In einer weiteren Gruppe wurde die Frage erörtert, wie die ‚Goldene Regel’ Anwendung finden kann. Als zentrale Punkte machten die Teilnehmer dieser Gruppe aus: Selbstwahrnehmung und Wahrnehmung anderer, Fähigkeit zur Empathie, Bewusstsein der Solidarität mit anderen und letztlich der Mut, das umzusetzen, was man als richtig erkannt hat. Aus diesen Voraussetzungen wurden Einzelmodule und –übungen entwickelt, die ohne großen Aufwand an Hochschulen umzusetzen wären:

  • Aufgabe der Beobachtung und des Perspektivenwechsels im Alltag und anschließender Austausch über die gewonnenen Erfahrungen
  • Schärfen der Empathie durch ‚Wahrnehmungsübungen’ (z.B.: man versucht den Gang eines anderen zu imitieren und berichtet darüber)
  • Paten- oder Mentorensystem zwischen ‚älteren’ und ‚jüngeren Semestern’
  • Angebot der Hilfeleistung von Seiten der Dozenten inkl. der Schaffung geeigneter Räume

Die dritte Gruppe bearbeitete das Thema ‚Rechte und Pflichten’ und stellte im Lauf der Diskussion fest, dass diese nicht immer allgemeinverbindlich definiert werden können, weil die Wertebasis eines jeden oder einer Gruppe unterschiedlich sein können. Es wurde daher gefordert, zur besseren Orientierung einen Verhaltenskodex zu etablieren, der von den Mitgliedern der Hochschule erstellt und verabschiedet werden sollte. Damit einher ging die Erkenntnis, dass ein solcher Kodex nur dann Wirkung zeige, wenn die Beteiligten sich konsequent daran hielten und die propagierten Werte selbst vorlebten.

Im Weiteren erzählten die Teilnehmer von positiven Erfahrungen mit Studierenden, in denen sie deren Erwartungen abgefragt haben – im Sinne eines Gebens und Nehmens: Was erwarten Sie von mir als Dozent? Was bin ich bereit zu geben? Was erwarte ich im Austausch von den Studierenden? Was sind Sie bereit zu geben? Entscheidend sei hierbei wohl, bei einer solchen Abfrage bewusst auf die Formen des Umgangs oder Spielregeln der Zusammenarbeit zu fokussieren und damit den Raum zu öffnen für ethische Verhaltensweisen wie Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Berechenbarkeit, Höflichkeit – sonst bliebe es bei rein fachlichen oder prüfungsbezogenen Aspekten.

Wo fange ich an? Methoden und Handlungswege zur Umsetzung im Hörsaal

In einer Abschlussrunde bildeten die Teilnehmer Dreier-Gruppen, um die Frage zu beantworten: Mit welchen Methoden könnten die von uns definierten Lernziele zum Themenbereich Verantwortung umgesetzt werden? Eine Fülle von Anregungen zeigte, wie breit das Spektrum hier sein kann:

  • Fallstudien mit ethischem Kontext (Kinderarbeit, Nachhaltigkeit,…)
  • Weitere disziplinübergreifende Themenkreise für ethische Dilemmata wären: Mobbing eines Kollegen; Inanspruchnahme von Vorteilen aufgrund persönlicher Beziehungen; Kündigung eines Mietverhältnisses, weil der Arbeitgeber den Lohn nicht auszahlt (u.U. mit Disziplinen BWL, Soziale Arbeit, Jura)
  • Rollenspiele mit vorhergehender Information der Teilnehmer und unterschiedlichen Szenarien (z.B. profitorientierter vs. ethisch orientierter Kontext), etwa bei der Beratung eines Bankkunden
  • Verknüpfung von Aufgaben oder Rollenspielen mit der Funktion eines Beobachters
  • Einsatz von Planspielen, wie Fishbanks, Ltd. von Dennis Meadows, oder auch Brettspielen zur Nachhaltigkeit mit dem Ziel, die Auswirkung von sozialer Nähe oder Distanz auf unser Handeln aufzuzeigen
  • Interaktives und improvisiertes Rollenspiel ‚Theater der Unterdrückten’ mit Videoaufnahme und anschließender Diskussion mit dem Ziel, Freiheitsgrade aufzuzeigen (Nähere Informationen unter diesem Link)
  • Reflexionsphase als fester Bestandteil einer Unterrichtseinheit
  • Einfühlungsübungen mit Fokus auf körperliche Empfindungen und Reaktionen

Es wurde vorgeschlagen, sich auf das Urteilsvermögen der Studierenden zu verlassen und diese in den Planungsprozess einzubeziehen: Gegen Ende des Semesters könnte man ein solches Modul mit den Studierenden testen, es evaluieren und fragen, welche Form und welchen Zeitpunkt sie bei einem weiteren Einsatz des Moduls für richtig und geeignet hielten. Auch könnte die Abfrage solcher Themen in Prüfungen oder Studienarbeiten das richtige Signal für die Bedeutsamkeit dieser Themen setzen. Die Organisatorinnen bedankten sich bei den Teilnehmern für die vielen Ideen und Anregungen. Sie boten an, die Ergebnisse des Workshops zu sammeln, auszuwerten und zu prüfen, wie auf der Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse ein möglicher Folgeschritt aussehen könnte. Erfreulicherweise haben viele der Teilnehmer bekundet, gerne in einer nächsten Runde die Themen Verantwortung und ethisches Handeln vertiefen zu wollen.