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PhiloBrunch mit Dr. Karl Kreuser: „Führungsethik in bewegten Zeiten“

Das Arbeitsleben ändert sich, für manche auch ziemlich radikal – Individualisierung, Diversity und Inklusion fordern heraus. Herkömmliche Hierarchien lösen sich zugunsten von Partizipation und Kooperation auf. Die Zusammenarbeit wird virtueller. New Work an allen Orten. Die Grenze zwischen Freizeit und Arbeit wird unscharf, Arbeitszeitmodelle immer individueller, Erreichbarkeit total. Sinnhaftigkeit, Freude an der Arbeit und Erfolg werden in direkte Zusammenhänge gebracht.

Soll das nachhaltig funktionieren, dann braucht es ein stabiles, geklärtes Wertefundament. Ansonsten werden Führung und Zusammenarbeit schnell beliebig oder opportunistisch.

Führungsethik ist die systematische Auseinandersetzung mit Werten, moralischen Normen und deren Verbindlichkeit, die das Führungshandeln betreffen.

Je mehr Führung eine Koproduktion aus Führen und Folgen durch alle in einem Team oder Unternehmen wird, je mehr Führung nicht durch klassische Vorgesetzte, sondern durch alle im Team ausgeübt wird, desto mehr geht Führungsethik alle etwas an.

Dr. Karl Kreuser* hat mit uns am 23. November 2019 im Rahmen eines PhiloBrunch seine Erkenntnisse aus einem aktuellen Forschungsprojekt zur „Ethik der Professionen“ mit den Teilnehmern geteilt. Herr Dr. Kreuser hat dabei, wie in PhiloBrunches üblich, nicht nur seine Erkenntnisse vorgestellt, sondern vielmehr typische, konkrete, praktische Fälle aus seiner Praxis als Coach und Berater zur gemeinsamen Diskussion gestellt.

In dem einleitenden Impulsvortrag wurden einige Punkte zu dem Thema durch aussagekräftige Maximen wie die folgenden vorgestellt und kurz eingeführt:

 

  • Rosa Brillen sind keine Führungsinstrumente
  • Moral ist eine Schlechtwettertugend“, als Hinweis darauf, dass sich die moralische Haltung eines Menschen in den schwierigen Situationen des Lebens zeigt
  • Moralisch und sicher führen
  • Moralische Bewertung ist immer kontextabhängig“, Beispiel: ein Mensch hat einen anderen mit einem Messer verletzt. Ohne Kontext, kommt man, wenn diesen vorstehenden Satz so hört eventuell zu einer falschen ethischen Bewertung. Wenn man im weiteren Verlauf erfährt, dass es sich bei ersterem um einen Chirurgen handelt, bewertet man diese Tat natürlich anders.

Folgende Frage wurde zur Diskussion gestellt: „Ist es moralisch einen anderen Menschen zu frustrieren?

Es wurde in diesem Zusammenhang das Beispiel von zwei gleich verdienten Mitarbeitern genannt, die beide Kinder haben und die beide zur gleichen Zeit in den Urlaub fahren wollen. Einer von beiden muss aus betrieblichen Gründen aber anwesend sein. In einem kurzen Rollenspiel wurde überlegt wie man als Führungskraft mit dieser Problemstellung umgehen kann. Kann es der richtige Weg sein, dass sich die Führungskraft ihrer Führungsrolle entzieht, den Märtyrer gibt und beiden Mitarbeitern frei gibt und selbst die Vertretung in der Zeit übernimmt? Während der Diskussion wurde die Bedeutung eines klärenden Gesprächs deutlich und die Aufgabe einer Führungskraft Entscheidungen zu treffen, diese den Mitarbeitern auf eine klare und nachvollziehbare Art und Weise mitzuteilen, ohne Rechtfertigungsdruck, aber auch ohne sich „zu drücken“, führen eben.

Wenn man als Führungskraft nicht entsprechend seiner Worte handelt, verliert man die Glaubwürdigkeit, kurz: „zwischen Absicht und Handlung liegt die Glaubwürdigkeit“.

Führung ist Haltung“, sowie die Notwendigkeit die Reflektion über das eigene Handeln zu erlernen, also „die Fähigkeit zur Reflexivität“ zu stärken.

Heutzutage ist es nicht mehr unüblich, dass sich Führungskräfte von Beratern coachen lassen und dies auch offen kommunizieren. Coaching von Führungskräften ist heute nicht mehr tabuisiert. Im Führen gelangt man oftmals in ethische Dilemmata wo Rechte und Pflichten ständig abgewogen werden müssen und ein Coaching kann dabei helfen die richtigen Schwerpunkte zu setzen und eine ausgewogene Entscheidung zu treffen.

Die Besprechung, der sich an den Impulsvortrag anschließenden Fallstudie wurde in Zweiergruppen besprochen. Ziel: zu einer möglichst moralischen Lösung zu kommen.

Kurz das Szenario: In einer Firma hat ein Mitarbeiter einem anderen Mitarbeiter die Frau ausgespannt. Der gehörnte Mitarbeiter hat Unterstützung und Gehör bei seinen Kollegen gefunden. Dies ging so weit, dass sich diese Gruppe an den Chef der Abteilung gewandt und gefordert hat den „Fremdgänger“ aus der Abteilung zu entfernen.

In den Zweiergruppen wurde sehr leidenschaftlich diskutiert und es wurden die unterschiedlichsten Lösungsansätze erarbeitet und im Anschluss kurz vorgestellt. Ein wichtiger Hinweis von Herrn Dr. Kreuser aus seiner jahrelangen Beraterpraxis war hierbei, dass man als Führungskraft die „Moral nicht fremdvergeben (outsourcen) sollte“. Dies bedeutet in diesem Zusammenhang, dass kein Berater einer Führungskraft die Entscheidung abnehmen sollte. Im Prozess, durch den die Führungskraft selbst Klarheit erlangt was ihr wichtig ist und welche Alternativen zur Entscheidung sie zur Verfügung hat, kann geholfen werden – aber die Entscheidung sollte sie am Ende selbst treffen.

Ein PhiloBrunch, der durch Erfahrungsaustausch auf eine sehr spannende Art und Weise Wissen vermittelt, Horizont erweitert und zum weiteren Nachdenken angeregt hat.

Vielen Dank an Herrn Dr. Kreuser!

Hier geht es zur Fotogalerie, die einen guten Eindruck von dem spannenden Event vermittelt. 

 

* Dr. Karl Kreuser ist geschäftsführender Gesellschafter der Beratergruppe SOKRATeam. Seine Arbeitsschwerpunkte sind die Beratung und Begleitung von Projekten zu Talent-, Potenzial- und Kompetenzmanagement sowie zu Retention Management. Neben organisationsspezifischen Konzepten erarbeitet er Lernarchitekturen zu selbstorganisierter Kompetenzentwicklung. Daneben arbeitet er als Mediator und systemischer Strukturaufsteller für wirtschaftende, öffentliche und soziale Organisationen und Familienunternehmen.