AlltagsethikRezensionen

Hermann Hesse: „Franz von Assisi“

Franz von Assisi ist eine Biographie, die Hermann Hesse über diesen berühmten Heiligen verfasst hat und die 1904 erschienen ist. Das Buch wird durch die wunderschönen Fresken von Giotto in der Kirche zu Assisi, den berühmten Sonnengesang, und die Original-Handschriften des Franz von Assisi geschmückt.

Das Werk erzählt von einem unbekannten jungen Menschen aus Umbrien, der eines Tages dem Ruf seines Gewissens folgt und in tiefer Demut beschließt, ohne weltliche Güter ein unbekümmerter Jünger des Heilands zu werden. So wird das Leben von Giovanni Bernardone geschildert, genannt St. Franziskus von Assisi, der Anfang des 13. Jahrhunderts lebte. Er wurde im Jahre 1182 als Sohn des wohlhabenden Kaufmanns Pietro Bernardone geboren. Franz warf sich mit Leidenschaft auf ein prächtig festliches Leben und schonte seines Vaters Geldbörse nicht. Bereits in diesem spielerischen, noch jugendlichen Treiben zeichnete sich bereits seine besondere Persönlichkeit ab, die sich im Leben ein Ziel setzt und diesem Ziel mit völliger Hingabe und Willensstärke folgen möchte. Hesse ist bemüht das Leben und die Wandlung von Giovanni Bernardones Leben zum Heiligen Franziskus von Assisi jenseits jedweder christlichen Dogmatik aufzuzeigen.

In der Konsequenz, mit der Franziskus das Konzept der apostolischen Armut verwirklichte und seinem Frömmigkeitsanliegen durch unvergleichliche Demut Ausdruck verlieh, liegt für Hesse die Erklärung, warum die Gestalt des Heiligen über seine Zeit hinaus bis in die Gegenwart so wirkungsvoll und aktuell blieb:

„Manch einer, dieses lesend, mag ebenso lachen und seinen Kopf als über einen Narren schütten, wie des Franziskus Freunde taten. Seine Sehnsucht aber hatte das gefunden, wonach sie dürstete und was ihm nicht Weisheit noch Kirche noch Weltlust zu geben vermochten. Indem er nämlich mit Schmerzen sich dessen erinnert hatte, dass der Mensch nichts anderes ist als ein Pilger und flüchtiger Gast auf dieser Erde, irrend zwischen Leben und Tod und keiner Habe je gewiss, warf er mit erneuter Liebesbegierde sich an Gottes Brust und trachtete von nun an, allein aus der Einfalt und Glut seines Herzens den Weg zum Leben finden. […] Dieses tapfere Vertrauen ist es, was ihn heiligte und zu einem Tröster und Erlöser für Unzählige gemacht hat, dass er aus seiner Not sich keinen anderen Führer als Gott selbst erwählte.“

Erkennbar spiegelt sich in diesem Buch Hesses Sehnsucht und Suche nach einem Höchsten Wesen, ein Thema, das in vielen seiner Werke eine zentrale Rolle spielt, wie zum Beispiel in ‚Siddharta’.

Wer Hermann Hesses ‚Franz von Assisi’ liest, dem wird bewusst, dass die Suche nach der ‚Beständigkeit des Glücks’ noch nie in unserer Gesellschaft so präsent war wie heute. Unaufhörlich versuchen die Menschen mit Konsum und immer neuen Reizen den Durst nach anhaltendem Glück zu stillen, oftmals leider vergeblich. Als Alternative kann ein Akt der Nächstenliebe (ohne eine Erwartung daran zu knüpfen) als Glücksmoment nachhaltig wirken. Wenn wir die seltenen Momente nutzen und in Ergebenheit den Taten und dem Geist des Heiligen Franz von Assisi nacheifern, mag es sein, dass wir die glücksbringende Erfahrung machen, der Spirale des Suchens für eine Weile  zu entfliehen.

ISBN 3-458-32769-X

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