AlltagsethikRezensionen

Emotionale Intelligenz

EQ – Emotionale Intelligenz
 

Daniel Goleman

Daniel Goleman ist Psychologe, lehrt an verschiedenen Universitäten und ist seit vielen Jahren als Wissenschaftsjournalist, unter anderem für die New York Times, tätig. Sein in USA im Jahr 1995 erschienenes Buch war über einen Zeitraum von eineinhalb Jahren auf Platz 1 der New York Times Bestsellerliste und wurde weltweit über fünf Millionen mal in rund 30 Sprachen verkauft. Goleman ist Mitbegründer der Collaborative for Academic, Social and Emotional Learning, die zunächst an der Yale University ihre Arbeit aufnahm und heute an der University of Illinois, Chicago, ihren Sitz hat. Diese Institution zielt darauf ab, Schulen zu helfen, emotionale Kenntnisse und Fertigkeiten (‚das emotionale Alphabet’) im Rahmen der Ausbildung zu vermitteln.

Es ist das große Verdienst von Goleman, die Bedeutung der Emotionen für den Lebenserfolg und das Lebensglück in den Vordergrund gerückt zu haben – emotionale Intelligenz ist für ihn in diesem Sinne eine Ergänzung und Erweiterung zum klassischen Intelligenzbegriff, dem Intelligenzquotienten, der vor allem kognitiv-analytische Fähigkeiten erfasst. Er erklärt, dass der Zustand der amerikanischen Gesellschaft ihn veranlasst habe, sich näher mit der Frage zu beschäftigen, wie wir unsere Kinder erziehen können, damit sie in eine bessere Gesellschaft hineinwachsen. Angesichts einer zunehmenden Zahl von Gewaltverbrechen, von Drogenmissbrauch, Selbstmord, Depressionen usw. sind für ihn „beunruhigende Mahnungen“. Die Beschäftigung mit der Frage der emotionalen Kompetenz ist für ihn daher „ein drängendes moralisches Gebot“, da er der Meinung ist, dass „ethische Grundhaltungen im Leben auf emotionalen Fähigkeiten beruhen“.

Das in anschaulicher und lebendiger Sprache verfasste Buch beginnt mit einer Reise durch die emotionale Architektur des Gehirns, wobei vor allem jene Regionen ausführlich beschrieben werden, die für Gefühle, Emotionen und Affekte verantwortlich sind bzw. jene Bereiche des Gehirns, die als „Emotionsmanager“ dienen können. Im Weiteren werden in umfassender Weise Erkenntnisse aus wissenschaftlichen Studien zitiert bzw. im Einzelfall mit konkreten Beispielen untermauert. Sehr anschaulich ist hierbei der so genannte Marshmallow-Test: Vierjährige Kinder wurden vor die Wahlsituation gestellt, entweder einen einzelnen Marshmallow sofort zu erhalten oder, wenn sie bereit waren, eine gewisse Wartezeit in Kauf zu nehmen, mit zwei Marshmallows belohnt zu werden. Jene Kinder, die über eine funktionierende Impulskontrolle verfügten, entwickelten Strategien, wie sie die Wartezeit von ca. 15 Minuten überstehen konnten: Sie lenkten sich ab, führten Selbstgespräche, sangen sich selbst etwas vor usw. Nach der Durchführung dieses Experiments wurden diese Kinder über einen Zeitraum von über zwölf Jahren weiter beobachtet:

„Diejenigen, die mit vier der Versuchung widerstanden hatten, zeigten jetzt als Jugendliche größere soziale Kompetenz: sie waren durchsetzungsfähig, selbstbewußt und besser in der Lage, mit den Frustrationen des Lebens fertigzuwerden.“ (S. 110)

Sie waren im Übrigen auch die besseren Schüler, anders als das runde Drittel der untersuchten Personen, die sofort zugegriffen hatten:

Diese Schüler „schreckten eher vor sozialen Kontakten zurück, waren störrisch und unschlüssig; sie ließen sich von Frustrationen leicht umwerfen, hielten sich für ‚schlecht’ und unwürdig; […] Und sie waren nach all diesen Jahren noch immer unfähig, eine Gratifikation aufzuschieben.“ (S. 110).

Goleman schließt daraus, dass „die Fähigkeit, eine Gratifikation aufzuschieben, demnach ganz unabhängig vom IQ erheblich zur intellektuellen Leistungsfähigkeit beiträgt.“ (S. 111)

Wir tragen folglich „zwei Seelen“ in uns, eine emotionale und eine rationale Seele, die, wenn sie im Gleichgewicht sind, uns gut durchs Leben führen können. Die emotionale Intelligenz fungiert dabei als „Metafähigkeit, von der es abhängt, wie gut wir unsere sonstigen Fähigkeiten, darunter auch den reinen Intellekt, zu nutzen verstehen.“ (S. 56)

Goleman gibt zahlreiche Beispiele, wie sich die emotionale Intelligenz bzw. das Fehlen derselben auf den zwischenmenschlichen Bereich, auf unsere Arbeitsbeziehungen, aber auch auf die Art und Weise, wie wir mit den Herausforderungen des Lebens umgehen, auswirken. Eine zentrale Rolle spielt seiner Meinung nach die Fähigkeit zu Empathie, der er ein eigenes Kapitel widmet:

„Die Grundlage der Empathie ist Selbstwahrnehmung; je offener wir für unsere eigenen Emotionen sind, desto besser können wir die Gefühle anderer deuten.“ (S. 127)

Empathie – die Fähigkeit, zu erkennen, was ein anderer empfindet – ist zugleich die Grundlage für altruistisches Handeln, denn, so der Empathie-Forscher Martin Hoffman, die Wurzeln der Moral seien in der Empathie zu suchen, denn es sei die Einfühlung in die potentiellen Opfer, denen Leid, Gefahr oder Entbehrung drohe, und infolgedessen die Anteilnahme an ihrer Pein, was Menschen dazu bewege, tätig zu werden und ihnen zu helfen. (S. 138)

Wenn die Selbstwahrnehmung also die Grundlage der Empathie ist und die Empathie die Grundlage der Moral, dann folgt daraus, dass die Steuerung unserer Emotionen in erster Linie ein Akt der Selbsterkenntnis ist. Das erfordert in vielen Fällen, die eigenen Gefühle aus einem gewissen Abstand heraus zu beobachten, was wiederum nur möglich ist, wenn ein Mindestmaß an Selbstkontrolle vorhanden ist. Und all diese emotionalen Fähigkeiten sind nach der Überzeugung des Autors erlernbar. Aus diesem Grund endet das Buch mit einem Plädoyer für eine „emotionale Alphabetisierung“ und vielen Vorschlägen, wie emotionale Intelligenz in den Lehrplan an Schulen und höheren Ausbildungsinstitutionen integriert werden kann.

Quellen und weitere Details:

http://www.danielgoleman.info/