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Kaminabend am 14. Dezember 2017: Praktische Ethik und der Weg zur Integration

Es gibt viele Menschen im Leben, die bewundernswert sind. Ein Profi-Sportler, eine erfolgreiche Sängerin, ein Nobelpreisträger, ein resozialisierter Ex-Gefangener. Letzteres stand nicht auf Ihrer Liste? Nach dem Besuch des Kaminabends am 14.12.2017 von Ethica Rationalis möglicherweise schon. Ein ehemaliger Insasse einer JVA in Bayern ließ uns an seinen bewegenden Erfahrungen teilhaben. Er schilderte sowohl von den Erlebnissen im ‚Knast‘ als auch vom erfolgreichen Ausstieg aus der Negativ-Spirale.

Ein Neuanfang für Straftäter

Für den Wendepunkt in seinem Leben ist ein besonderer Mensch verantwortlich. Ein Mensch, der seinen Pionier-Geist, seinen Mut, seine Intelligenz und seine unermüdliche Motivation in ein Programm namens LEONHARD steckt: Dr. Bernward Jopen. Er ist Experte für Unternehmensgründung und blickt auf ein erfolgreiches Leben mit verschiedenen Stationen, unter anderem an der TU München, zurück. 

Nachdem er viele Jahre eng mit Gründern gearbeitet hatte, fragte er sich: „Warum nicht zu denen gehen, die es wesentlich schlechter haben?“ Gemeinsam mit seiner Tochter gründete Dr. Jopen das Programm LEONHARD, das Gefangene dazu befähigt, wieder in einen Beruf einzusteigen. Denn das Leben da weiterzuführen, wo man vor der Haftstrafe aufgehört hat, sei laut Dr. Jopen eher wenig sinnvoll: „Die wenigsten, die ins Gefängnis reingegangen sind, kommen als besserer Mensch wieder raus…“. Das zeigten auch Statistiken: Deutschlandweit wird nahezu jeder zweite Straftäter rückfällig (14.08.2016, Welt N24 GmbH). Man hat in der Welt draußen keinen Anschluss – selbst wenn man es möchte. Daher ist das Gründerprogramm ein Mehrwert für den Einzelnen und auch für die Gesellschaft. Die Hürden, die dabei zu nehmen sind, sind jedoch nicht zu unterschätzen, sowohl bei der Akzeptanz in den Gefängnissen als auch bei den Straftätern selbst, denn man hat im Vollzug gelernt „skeptisch zu sein“. So habe sich auch unser zweiter Gast, der das Programm selbst durchlaufen hat, gefragt: Warum sollte jemand Straftätern ein so aussichtsreiches Programm anbieten? Welchen Gegenwert muss man leisten? Das zeige, dass viel Vertrauen verloren gegangen ist.

Eine neue Kultur im Miteinander: Wertschätzung und Ermutigung

Mitarbeiter und Trainer von LEONHARD begegnen den Teilnehmern mit Aufrichtigkeit und Herzlichkeit und schaffen dadurch eine ganz andere Kultur, eine andere Art des Umgangs miteinander. Durch fachliche und überfachliche Unterrichtseinheiten werden die Teilnehmer in vielen Aspekten ihrer Persönlichkeit aufgebaut und auch nach dem Abschluss weiter betreut. Zu den Inhalten gehören daher Grundlagen im kaufmännischen Bereich, aber auch Diskussionen um das Thema „Ethik und Werte“. Die Teilnehmer bereiten sich proaktiv auf das Leben nach der Haftanstalt vor und loten neue Möglichkeiten der Beschäftigung aus – dies alles übrigens immer in Teams, was Zusammenhalt und gegenseitiges Verständnis fördert. Auch die Fakten sprechen für sich: Die TU München betreut das Programm wissenschaftlich und kann eine Rückfallquote von nur 13% festhalten (Stand 09.11.2017). Der ehemalige Gefangene, der auch beim Kaminabend zu Gast war, hat heute einen sicheren Arbeitsplatz, einen immensen Wissendurst und ist menschlich gewachsen. Ein bewundernswerter Wandel. Wenn er von diesem Programm berichtet, klingt es wie ein Werbefilm: „Es hat mich verändert…“, sagt er, „…ich könnte den ganzen Tag strahlen“. Seine Vorbilder sind nun Menschen wie Dr. Bernward Jopen: Visionäre, die mit guten Absichten und positiver Energie einen wertvollen, gesellschaftlichen Beitrag leisten.

Weitere Informationen finden Sie unter: www.leonhard.eu

Autorin: Anja Kaiser