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Rückschau zu dem Workshop „ETHIK-TÜV: Wie kommt man sicher durch?“ vom 21. April 2012

Der Ethikverband der Deutschen Wirtschaft hat zusammen mit dem TÜV Nord ein Ethikmanagement-System entwickelt, womit Unternehmen ihre Spitzenstellung im Bereich Ethik und Nachhaltigkeit beweisen können. Obwohl die Initiative in der Wirtschaft auf großes Interesse stieß, hat bislang kein Unternehmen dieses Angebot zur Zertifizierung wahrgenommen. Aus diesem Grund haben Ethica Rationalis und die studentische Initiative sneep Herrn Ulf Posé, Präsident des Ethikverbands der Deutschen Wirtschaft, eingeladen. In seinem Impulsvortrag zu Beginn der Veranstaltung stellte er das Konzept vor und erläuterte Chancen und Risiken für teilnehmende Organisationen.

Wirtschaftsethik und Wertemanagement als Erfolgsfaktor

Herrn Posé zufolge entwickelt sich die Wirtschaftsethik in jüngerer Zeit von einer Randfrage ökonomischer Theorie und Praxis zu einem zentralen Thema öffentlicher und wissenschaftlicher Auseinandersetzungen. Zunehmend werde die ethische Qualität unternehmerischen Handelns als Erfolgsfaktor erkannt, wobei die positive Wirkung am stärksten sei, wenn ethische Aspekte aktiv in ein Wertemanagement eingebunden sind. Dadurch verbesserten sich langfristig die Beziehungen zu Mitarbeitern, zu Kunden und Lieferanten, aber auch zu Geldgebern und Investoren. Werteorientiertes Management sei eine „komplexe Disziplin in Unternehmen, mittels derer Unternehmensziele, Verhaltensnormen, gesetzliche Bestimmungen, die persönlichen Erwartungen, Interessen und Bedürfnisse der Menschen und vor allem auch konkrete Prozesse und Handlungen in Einklang gebracht werden.“ Innerhalb der Bewertung von Wertesystemen sollten Ergebnisse erzielt werden, die möglichst reproduzierbar und vergleichbar sind. Hierzu setze der Ethikverband der Deutschen Wirtschaft auf Standards der internationalen SA8000 Norm auf. Dieser so genannte Social Accountability Standard 8000 ist durch die Social Accountability International (SAI) ins Leben gerufen worden und widmet sich der Entwicklung und Einführung von Sozial- und Ethikstandards  auf Basis der Menschenrechtsdeklaration und der UN-Konvention über die Rechte von Kindern.

Übereinstimmung von Leitlinien und Handeln

Als praktische Herangehensweise empfahl der Referent, dass Unternehmer und andere Teilnehmer der Wirtschaft sich einen Überblick über Grundlagen der Begründung von Normen und der verschiedenen Bereichsethiken verschaffen, um die Fähigkeit zu entwickeln, mit rationalen Argumenten ethischen Forderungen zuzustimmen oder zu widersprechen. Dazu gehöre auch die praktische Frage, die Herr Posé des Öfteren vor Führungskräften und Verantwortlichen stellt: „Bitte sagen Sie in einem Satz, wofür Sie in Ihrem Leben stehen!“ Ethik und Glaubwürdigkeit hingen seiner Erfahrung nach eng zusammen – so würde die ethische Qualität in erster Linie daran gemessen, inwiefern Leitlinien und Handeln übereinstimmen. Das gelte für den Einzelnen wie für die Organisation als Gesamtheit.

Wie funktioniert der Ethik-TÜV?

Die Teilnehmer waren besonders interessiert daran, wie der Ethik-TÜV im Einzelnen abläuft, daher erklärte Herr Posé den Prozess der Prüfung wie folgt:

  1. Was wird zertifiziert?

Geprüft werden sollen das tatsächliche Verhalten, die Verträglichkeit der Handlungen mit den Unternehmenswerten, Strukturen und Prozessen. Dabei sind die drei Felder eines Audits die Unternehmensphilosophie, Unternehmenskultur und die wirtschaftliche Wertorientierung.

  1. Wer bildet aus?

Der Ethikverband der Deutschen Wirtschaft bildet die Auditoren aus. Bei Bedarf wird er dies durch beauftragte Trainingsinstitute durchführen lassen.

  1. Wer auditiert?

Der Ethikverband der Deutschen Wirtschaft vergibt das Zertifikat. Hierfür muss sich ein Unternehmen von einem vom Ethikverband der Deutschen Wirtschaft autorisierten, unabhängigen Zertifizierer auditieren lassen. Der Ethikverband der Deutschen Wirtschaft gestaltet das Zertifikat so, dass es in bestehende Zertifizierungsverfahren wie z.B. EFQM oder ZFU als zusätzlicher Bewertungsaspekt eingebunden werden kann. Darüber hinaus sollen diese Kriterien auch in Unternehmensbewertungen / Ratings mit integriert werden können.

Was sind Chancen und Risiken der Ethik-Zertifizierung?

Im zweiten Teil der Veranstaltung trafen sich die Teilnehmer in unterschiedlicher Zusammensetzung im „World Café“, um zunächst die Frage zu erörtern, welche Chancen und Risiken ein Ethik-TÜV für Unternehmen mit sich bringt.

Hier wurden als Risiken u.a. genannt: Hoher Bürokratieaufwand und damit verbundene Kosten; Unsicherheit bezüglich des wirtschaftlichen Nutzens; Glaubwürdigkeitsdruck; Vergleichbarkeit. Dem stehen allerdings Chancen gegenüber wie Verbesserung der Qualität der Führung, auch in Hinblick auf die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen; ein Mehr an praktizierter Menschlichkeit; Zugewinn an Wettbewerbsfähigkeit und Reputation; Verbesserung der Stakeholder-Beziehungen (Kunden, Mitarbeiter, Lieferanten, Öffentlichkeit usw.).

Wann machen Unternehmen mit?

Auf der Basis dieses Wissensaustauschs wurde in zwei Projektgruppen die Fragestellung vertieft, welche Rahmenbedingungen zu schaffen sind, damit Unternehmen sich zertifizieren lassen. 

Hier wurde schnell klar, wie stark der innere Zusammenhang und die Interdependenzen zwischen dem betrieblichen Umfeld (Gesetzeslage, Globalisierung, Kultur, Wettbewerb etc.), der Organisation und der Führung ist, welch große Rolle geeignete Anreize spielen und dass Ausbildung und Training im Bereich ethischen Handelns über alle Ebenen der Gesellschaft hinweg stattfinden müssen: in Schulen, Ausbildungsstätten und Hochschulen, aber auch unternehmensintern bei der Personalauswahl, der betrieblichen Weiterbildung und der Qualifizierung der Führungskräfte.

Ethik als offener und wandlungsfähiger Begriff

 Die Runde schloss mit einer Podiumsdiskussion, in der eine Reihe interessanter Ergebnisse und Aspekte aufgeworfen wurde. 

Unter anderem tauchte die Frage auf, ob man den Begriff „Ethik“ nicht erst einmal definieren solle, weil derart unterschiedliche Auffassungen anzutreffen sind. Man sollte somit im ersten Schritt eine gemeinsame Begriffsbasis schaffen, um miteinander kommunizieren zu können. Im betrieblichen Umfeld sei es unter Umständen besser, von einer Vertrauenskultur zu sprechen, wie Herr Posé aus seiner Erfahrung berichtet hatte. Große Übereinstimmung war bei den Teilnehmern in dem Punkt, dass es kein „allgemeinverbindliches Wertesystem von der Stange“ in den Unternehmen geben könne, sondern dass dieses im Dialog und in einer Atmosphäre der Offenheit erörtert und gefunden werden müsse. 

Überdies habe ein integriertes Ethikmanagement-System nur dann Sinn, wenn mit der organisatorischen Verankerung gleichzeitig ethische Kompetenzen vermittelt würden, so dass die Mitarbeiter und Führungskräfte das System selbst tragen und vorleben.  

Nicht nur Unternehmen hätten hier eine Verpflichtung, die übrigens, wie bestehende Initiativen zeigen, am besten im Rahmen einer Selbstverpflichtung funktioniere, sondern auch der Bürger… Als kleiner Ausblick daher die Frage eines Teilnehmers in die Runde: „Sollte es nicht auch einen Ethik-TÜV für Konsumenten geben?“

Als Buchtipp empfiehlt Herr Ulf Posé „Ethik für Manager“ von Rupert Lay (Ehrenpräsident des Ethikverbands der Deutschen Wirtschaft), ISBN-10: 361226236XWenn Sie mehr wissen möchten…

Hier können Sie mehr über die Ethikzertifizierung erfahren:

http://www.ethikverband-deutschland.de/cms/upload/pdf/Prosp.Ethik_2109_Einzel.pdf

… und hier finden die den [Link] zur Videogalerie. Dort können Sie ein Video zum Workshop sehen.