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Ethica Impuls Award 2012: „Es geht nicht um Heldentaten“

Seit diesem Wintersemester können Studierende der Hochschule München ein Zertifikat für Ethik und Nachhaltigkeit erwerben − zur Einführung der neuen Zusatzqualifikation „ETHIKUM“ zeichnete die Hochschule in Kooperation mit Ethica Rationalis e.V. jetzt Menschen aus, die sich im besonderen Maße gesellschaftlich für andere engagieren: Der Ethica Impuls Award ging dieses Jahr an Martina Münch-Nicolaidis, die deutschlandweit Begleitung für junge Trauernde anbietet, die den Tod eines Partners oder Elternteils verarbeiten müssen, sowie das Gründerteam des Münchner Studierendentreffs intermezzo.

Martina Münch-Nicolaidis steht nach der Laudatio des ehemaligen Staatssekretärs Karl Freller sichtlich bewegt auf der Bühne: „Mich hat noch kein Preis so berührt.“ Seit über 15 Jahren engagiert sich Münch-Nicolaidis mit der Nicolaidis Stiftung für junge Menschen, die den Verlust eines Partners oder Elternteils verarbeiten müssen. Unter anderem bietet Münch-Nicolaidis das Projekt „Young Creatives Film“ an, bei dem Voll- und Halbwaisen unter professioneller Anleitung eigene Kurzfilmprojekte realisieren: „Die Kinder und Jugendlichen können so etwas in sich öffnen, entdecken die Kunst als Verarbeitungsmedium“, so Münch-Nicolaidis.

Als der Student Jonas Haid den Ethica Impuls Award entgegennimmt, fehlen ihm kurz die Worte: „Mit so einer Auszeichnung hätte ich nie gerechnet.“ Über zwei Jahre lang planten, verhandelten und organisierten Haid und seine zwei Kommilitonen Gertrud Deckers und Michael Gelhaus, um im Mai 2011 endlich das studentisch geführte Café „intermezzo“ auf dem Campus Pasing zu eröffnen. Heute können die Gäste hier fair gehandelten Cappuccino, Schokolade und Sesamriegel kaufen, zudem werden Konzerte und kleine Ausstellungen organisiert.

Ausgezeichnet wurden die beiden Projekte vor rund 100 Gästen bei einer feierlichen Preisverleihung mit musikalischer Begleitung der Band KaPaSa am 17. Oktober in der Hochschule München − Münch-Nicolaidis in der Kategorie „Established“ für bereits etablierte Initiativen, Haid, Deckers und Gelhaus in der Kategorie „Youngsters“ für innovative, junge Konzepte im Hochschulumfeld.

Gefeiert wurde mit der Vergabe des Ethica Impuls Award die Einführung des Zertifikats für Ethik und Nachhaltigkeit, ETHIKUM, das die Hochschule München in Kooperation mit dem gemeinnützigen Verein Ethica Rationalis e.V. und der studentischen Initiative sneep seit diesem Semester Studierenden aller Fachbereiche anbietet – als erste und bislang einzige Hochschule in Bayern.Durch den Besuch von Kursen zu z.B. Corporate Social Responsibility oder zum Umgang mit ethischen Konfliktsituationen am Arbeitsplatz wie Korruption oder Mobbing können die Studierenden Ethik-Punkte sammeln und so in drei bis vier Semestern die freiwillige Zusatzqualifikation erwerben. „Es sollen Räume geschaffen werden, in denen auch über das eigene Fachstudium hinaus Wissenschaft und Arbeit reflektiert werden“, fasst die Vizepräsidentin der Hochschule München Prof. Dr. Gabriele Vierzigmann in ihrem Begrüßungswort bei der Preisverleihung den Kerngedanken des ETHIKUM zusammen. Besonders vorangetrieben wurde das Projekt dabei von Prof. Dr. Angela Poech: „Es geht nicht um Heldentaten, sondern um eine Ethik der kleinen Schritte“.

Die Professorin für Entrepreneurship an der Hochschule München und Vorsitzende des Vorstands von Ethica Rationalis erklärt in Bezug auf das Ziel des Ausbildungsprogramms: „Wir wollen Angebote schaffen, um das Bewusstsein für verantwortliches Handeln in den Hörsaal zu bringen.“ Das Studentencafé intermezzo und die Nicolaidis-Stiftung würden hier als besondere Vorbilder für solch engagierten Einsatz stehen, der sich auch von Hindernissen und Widerständen nicht entmutigen lässt: Münch-Nicolaidis hatte seit Gründung ihrer Stiftung vor zehn Jahren immer wieder mit Finanzierungsproblemen zu kämpfen: „Ich war mehrmals kurz vor’m Aufgeben“, erinnert sie sich. „Man muss ganz nüchtern sehen, dass der Umgang mit dem Tod noch immer ein schwieriges Thema ist − und deshalb einfach nicht so zieht, wenn es um Spendengelder geht.“ Heute hat sich Münch-Nicolaidis mit ihren Projekten und Ideen eine starke Position erkämpft, und berät unter anderem die Bundeswehr bei der Betreuung Hinterbliebener.

Auch bis zur Eröffnung des Studentencafés intermezzo war es ein langer Weg: „Am Anfang stand eigentlich nur der Ärger über schlechten Automatenkaffee“, erinnert sich Michael Gelhaus vom Gründerteam. „Die Versorgungssituation war auf dem Campus Pasing für Studenten einfach grausam.“ Als in der Hochschule vor drei Jahren Räumlichkeiten frei wurden, schmiedeten Haid, Gelhaus und Deckers große Pläne, wollten eine Terrasse, eine eigene Küche und bezahltes Personal im intermezzo. „Wir mussten große Abstriche machen, auch deshalb stand das Projekt oft auf der Kippe“, erinnert sich Jonas Haid. „Zwischendurch gab es dann auch schon Pläne der Hochschule, die Räume doch für Büros zu nutzen.“ Anderen Studierenden, die sich ähnlich engagieren wollen, raten die drei Gründer deshalb besonders zu Beharrlichkeit: „Man muss als Student besonders beweisen, dass man es ernst meint, und nicht nur ein kurzfristiges Semesterprojekt auf die Beine stellen will,“ so Gertrud Deckers. Heute gibt es im intermezzo zwar (noch) keine Terrasse, keine eigene Küche und keine Bezahlung für die Aushilfen.  

Dafür schenken die ehrenamtlichen Barristas hinter der schmalen, weißen Theke nach Ansicht vieler Gäste aber „den besten Kaffee Münchens“ aus und sorgen für eine besonders offene, gemütliche Atmosphäre, weil sie sich durch Organisation von Konzerten und Ausstellungen selbst in die Gestaltung des Studierendentreffs einbringen: „Das Café ist so besonders, weil die Studenten es zu ihrer Sache machen“, fasst Laudatorin Prof. Dr. Martina Wegner bei der Preisvergabe das besondere Flair im intermezzo zusammen, das sich durch den Verkauf heute komplett selbst finanziert.

Obwohl die beiden ausgezeichneten Projekte somit ganz unterschiedliche Formen des gesellschaftlichen Einsatzes für Mitmenschen aufzeigen, stehen sie beide als Beispiele für die mutige Initiative, die die Hochschule mit dem ETHIKUM in den nächsten Semestern bei ihren Studierenden wecken will. Schon jetzt steht fest, dass auch im nächsten Jahr der Ethica Impuls Award wieder vergeben wird − vielleicht steht ja bei einer der kommenden Preisverleihungen einer der über 30 Studierenden auf der Bühne, die sich bereits zu diesem Semester für das ETHIKUM angemeldet haben.

Den Verlauf der Veranstaltung können Sie auch in unserer Videogalerie nacherleben [Link].

Autorin: Eva Thöne